Eigentlich hat alles mit einem Gutschein angefangen, den ich vor einiger Zeit von einem Anbieter zugesandt bekam. Doch das, was ich im Katalog fand, war trotz des satten Rabatts nicht das, was ich mir vorstellte. So schrieb ich etliche Händler, Vertriebe und Hersteller an, was zur Folge hatte, dass natürlich jeder seine Produkte bzw. die in seinem Sortiment befindlichen Artikel für die beste Lösung hielt. Letztendlich gab es auch im Bekanntenkreis die unterschiedlichsten Meinungen, so dass ich gar nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand. Ich wollte doch nur mit einem neuen Tonabnehmer eine Stufe höher kommen, da ich in den vergangenen 10 Jahren nun zwei Mal hintereinander das gleiche System eines renommierten Herstellers betrieben hatte. Der entscheidende Tipp kam von einem guten Freund. "Ruf` doch mal Herrn Heile von Falkensee Hifi an, ich durfte mein Purple Heart sogar zu Hause testen." Nun, besagtes System hätte Budget überstiegen, aber laut meines Freundes gäbe es ja noch das Kiseki Blue, welches sich in meinem erwünschten Preisrahmen bewege. Gesagt, getan. In den folgenden Tagen entstand reger E-mail-Verkehr zwischen Herrn Heile und mir. Freundlich, kompetent und geduldig. Nachdem ich mich intensiv über das technische und mechanische Zusammenspiel meines SME V und dem Kiseki Blue schlau gemacht hatte, bestellte ich das System inclusive 14-tägigem Umtauschrecht. Falls ich mehr Zeit bräuchte, wären sogar vier Wochen ok. Donnerstagmittag kam der Paketbote; und da ich noch ein wenig Zeit vor der Arbeit hatte und natürlich neugierig war, packte ich das kleine Schmuckstück gleich mal aus. Hm, zum Einbauen wäre ja vielleicht noch Zeit. Nur erstmal dranschrauben. Um es kurz zu machen; nach einer Stunde war schon alles erledigt. Tonarmhöhe, Montageabstand, Auflagegewicht, Azimuthkontrolle. Dass mir das so leicht von der Hand gehen sollte, hatte ich nicht erwartet. Pause. Arbeit ruft. Schade. Am Tag darauf war meine Zeit knapp bemessen. Doch zumindest den vorerst letzten technischen Punkt, Antiskating, wollte ich hinter mich bringen. Die empfohlene Auflagekraft des Kiseki Blue ist mit 2,4 g angegeben. Da man nicht zwingend den gleichen Wert beim Antiskating einstellen soll, entschied ich mich für etwa 75% der Auflagekraft, also stellte ich den AS-Wert auf 1,8 ein. Bei der Kontrolle der korrekten Polung erlebte ich dann eine Enttäuschung. Der linke Kanal war tot. Sollte da etwa ein Defekt sein? Nein, es hatte ich tonarmseitig ein Kontakt gelöst. Wahrscheinlich hatte er sich bei der Montage gelöst. Und dann auch noch auf der, für Rechtshänder, ungünstigen Seite zum Plattenteller hin. Nach 10 geduldigen Minuten saß er aber wieder fest. Testplatte aufgelegt. Links ok, rechts ok, Mitte auch. Phasentest positiv. Nun geht`s los mit 40μ. 50, 60, 70 und auch die ab Werk angegebenen 80μ schafft das Kiseki verzerrungsfrei. Bei 90μ beginnt es hörbar zu kreischen; das darf es aber auch und so lasse ich das Antiskating auf 1,8. Der Vorgänger schaffte 60μ, verließ bei 70 die Rille und rutschte bei 80μ dann schnurstracks zur Tellermitte. Zum Abtastverhalten kommen wir später nochmal.
Am Samstag hatte ich endlich Zeit, mir erste Höreindrücke zu verschaffen. Man hat ja so seine üblichen Verdächtigen im Regal. Aber hallo, was tat sich da schon bei der ersten klassischen Aufnahme für ein Raum auf. Ich war geneigt, den Lautstärkesteller ein wenig im Uhrzeigesinn zu derhen. Alles rückte in die Breite und Tiefe. Das war natürlich gewöhnungsbedürftig. Die ultratiefen Impulse kamen zwar nicht mehr so gewaltig wie vorher rüber, dafür aber sauberer. Irgendein Autor einer Fachzeitschrift umschrieb das folgendermaßen: "Wo andere nur noch Druck machen, macht das Kiseki Ton." Und genau so ist das. Mir war, als hätte ich vorher ein "Disco-System" betrieben. So sauber, so aufgeräumt, so echt, so ehrlich. Die größte Überraschung gab es allerdings im Hochtonbereich. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was da alles in den Rillen steckt. So viele Details und Feinheiten, dass man es kaum glauben kann. Triangel, Becken, Besen und vieles mehr kristallisieren sich deutlich heraus. Im ersten Eindruck wirkt der Hochtonbereich etwas vorlaut oder harsch. Sicher Gewöhnungssache. Soll sich aber nach einer gewissen Einspielzeit relativieren. Auch daran zweifle ich nicht. Der SME V und seine neue "Braut" feiern an diesem Nachmittag ausgiebig mit illustren Gästen wie Diana Krall, Chie Ayado, Igor Stravinsky, Peter Tschaikowsky, den Dire Straits und vielen anderen. Zu den anderen gehörte auch Ray Brown mit der Solar Energy LP. Auf "Cry me a river" gab es bisher immer zwei Stellen, bei denen der alte Tonabnehmer bereits im Neuzustand versagte. Ein kleiner "Spratzler" in der Mitte und eine deuliche Verzerrung im letzten Drittel des o.g. Stückes. Doch heute höre ich weder noch. Und da fällt mir wieder das unerlaubte Rillenverlassen des Vorgängers bei der Testplatte ein. Jetzt bin ich mal ganz mutig… Selbst wenn es musikalisch nicht die beste Interpretation ist, so ist Kunzels 1812er auf Telarc wohl mit die berüchtigste Einspielung. Den Kosakentanz auf der B-Seite hat das Kiseki bereits sehr frühat acta gelegt. Die Seite mit den Kanonenschlägen ist eine andere Hausnummer. Zunächst versuche ich die "entschärfte" Neuauflage von FIM. Selbst da hat der Vorgänger kläglich versagt. Kanonenschüsse? Mädchenpups! Das interessiert das Kiseki nicht wirklich. Also kommt das Original aus dem Jahr 1980 auf den Teller. Ich erinnere mich, dass mein Kumpel mit dem Ding damals seine Boxen gekillt hat und drehe die Lautstärke etwas runter. "Sollen sie doch böllern", denkt sich das Kiseki; und gleitet durch die sichtbar tiefen Rillen mit deren mörderischen Auslenkungen. Und zum Teufel nochmal, es zuckt nicht einmal dabei. Somit ist das Thema "Abtastsicherheit" für mich erledigt. Ich weiß vor lauter Glückseligkeit gar nicht, was ich als Nächstes auflegen soll. Einfach drauflos. Ein ebenfalls gutes Beispiel für die hevorragende Auflösung ist das auf Klavier Records erschienene "El Cid" mit Fremaux. Diese Scheibe hat meine Frau mal für einen Euro aus einer Wühlkiste gezogen. Nach dem Auflegen drehe ich die Lautstärke auf etwa 9 Uhr und mache mich schnell auf den Weg zu meinem etwa drei Meter entfernten Hörplatz. Absolute Stille. Im Glauben, den Lift nicht richtig erwischt zu haben, will ich wieder Richtung Verstäker marschieren; da platzt wie aus dem Nichts mit voller Wucht das Orchester aus den Boxen. Das nennt man wohl den berühmten "schwarzen Hintergrund". Totenstille, kein Rillengeräusch, und dann geht die Post ab. Mit dem Kiseki sind die "mit aller Gewalt alles übertönenden Paukenschläge" nicht mehr so vordergründig. Es wummst zwar gewaltig, doch Triangel und Becken bleiben einfach viel besser hörbar. So macht das Hören von großorchestralen Aufnahmen viel mehr Spaß als zuvor. Eine meiner älteren audiophilen Platten. Kari Bremnes, die ich schon zwei Mal live erleben durfte, betritt die Szene; oder besser gesagt, mein Wohnzimmer. Zum Anfassen nah. Auch hier registriere ich die harmonische und akustische Ausgeglichenheit von Stimme, den vielfältigen Perkussioninstrumenten und einer wuchtigen Bassdrum, welche zu Beginn des Titelsongs eine präsente Einleitung liefert und das Stück ebenso beendet. Dazwischen erfreue ich mich wieder an endlos vielen Details, die mir in der Vergangenheit verborgen blieben. Lori Liebermans "A thousand years" war auch mal so ein Flohmarktfund. Stand lange im Regal. In der Titelliste hatte ich dann "Time after time" entdeckt. Zunächst im Glauben, es handele sich um eine weitere Coverversion (Ciny Lauper, Miles Davis), hatte ich sie dann mal aufgelegt und war gleichermaßen verwundert wie entzückt, was da Schönes aus meinen Lautsprechern kam. Dass im Chorus zwei Frauen singen, hatte ich schon vorher registriert, doch jetzt sind die Stimmen noch deutlicher voneinander getrennt zu hören. Es folgen noch perlende Gitarrenklänge von Michael Hedges, das harmonische Miteinander von Pat Metheny und Charlie Haden auf "Missouri Sky"…….selbst das Phantom der Oper darf durch meinen Hörraum geistern. Und morgen vielleicht Chet Baker, Miles Davis und Ella mit Oscar. A neverending story…….im positiven Sinne. Die Plattensammlung wird neu entdeckt werden. Uns steht eine schöne Zeit bevor. Uns; dem Kiseki Blue und mir.
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